Gerade beim Thema Flucht und Migration dreht sich vieles um die Frage nach der Heimat. Die einen müssen sie verlassen, die anderen wollen sie vor Eindringlingen schützen. Aber was ist eigentlich Heimat? Wer und was ist Teil davon und wie kann eine neue Heimat entstehen?
„Re-tracing HOME“
Das internationale Architekten-Kollektiv Guerilla Architects wollte diesen und weiteren Fragen rund um das Thema Migration, Wohnen und Heimat nachgehen und startete so im Sommer 2017 das partizipative Design-Forschungsprojekt „Re-tracing HOME N° 01“. Mit Unterstützung von Architecture for Refugees wurde das Projekt ein paar Monate später auf der VIENNA DESIGN WEEK 2017 als (Selbst-) Experiment fortgesetzt: Geführte Stadtführungen, Zeichen- und Schreibworkshops, öffentliche Diskussionsrunden und vor allem ein ergebnisoffener Bauworkshop gehörte zum Programm des zweiten, von der Hans Sauer Stiftung geförderten, „work in progress“ Projekts „Re-tracing HOME N° 02“.
In nur 10 Tagen einen leeren Raum in ein „Zuhause“ verwandeln?
Ziel des Workshops sei es gewesen, über verschiedene Elemente eines „idealen“ Heims zu spekulieren und eine temporäre Installation mitzugestalten: Der ergebnisoffene Workshop ermöglichte es Teilnehmenden gemeinsam ein „ideales“ Zuhause zu konzipieren, zu planen und zu bauen. Öffentliche Debatten gaben die Möglichkeit sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln über die Bedeutung von Heimat auszutauschen.
Die Nachforschung (re-tracing) einzelner Geschichten von Heimat sollte dabei helfen, diesen Raum der Geborgenheit, aber auch die mit dem Heimatgefühl oftmals verbundene Angst vor Veränderung oder dem „Anderen“, zu erkunden.
Für Monika Jedrysiak von Architecture for Refugees spielt dabei besonders der öffentliche Raum eine wichtige Rolle: Der Prozess der Schaffung einer neuen „Heimat“ bedeute, sich mit einer neuen psychologischen und physischen Umgebung auseinanderzusetzen, dafür genüge es also nicht in einer unvertrauten Stadt ein Dach über dem Kopf zu haben, entscheidend seien Räume für Kommunikation, Begegnung und Austausch.
„Zuhause scheint kein Ort zu sein…“
…Es ist eher eine Situation bei Menschen, wo man sich wohl fühlt und weiß, dass man immer wieder zurückkommen kann.“
Das Zuhause wurde von vielen Teilnehmenden nicht als „realen Raum“ gesehen, sondern vielmehr als eine Kombination unterschiedlicher Faktoren wie Privatsphäre, Gemeinschaft, Verantwortung, Konnektivität, Netzwerk und Komfort.
Wie eine Teetasse sei auch die Heimat „tragbar“ – Ein Heimatgefühl könne auch ortsunabhängig durch vertraute Routinen wie das tägliche Familienabendessen oder den gemeinsamen Tee um 17 Uhr entstehen.
Laut Benedikt Stoll von Guerilla Architects zeigte sich letztlich, dass man einen Ort viel schneller Zuhause nennen könne, als der deutsche Begriff „Heimat“ zunächst impliziert und dass der teilweise antizipierte Unterschied der multikulturellen Vorstellung von „Zuhause“ meist nicht bestätigt wurden.
Die Installation
Die temporäre Installation auf den VIENNA DESIGN WEEKS sei letztlich nicht dazu gedacht gewesen, Antworten auf die aktuelle Wohnungsfragen zu geben, sondern viel mehr zu hinterfragen, was „Heimat“ oder „zu Hause“ aus verschiedenen Perspektiven und Hintergründen bedeuten kann und Denkanstöße zu liefern, die die Bedeutung von räumlichen Grundelementen hinterfragen.
Erkenntnisse, Fotos und Zitate hat das „Re-tracing HOME“ Team in einer abschließenden Publikation zum Projekt zusammengefasst. Zur Publikation.
Weitere Informationen zu „Re-tracing HOME N° 02“ gibt es hier.
Wie geht es weiter?
Das Projekt befindet sich momentan in seiner 3. Runde und begibt sich im Berliner Bezirk Lichtenberg auf die Suche nach sozialräumlichen Netzwerken – also nach der „Heimat“ im Kiez. In Kooperation mit der Stiftung Stadtkultur (Howoge) soll eine Grundlagenermittlung von Bedürfnissen und Wünsche der lokalen Anwohnerschaft in soziokulturelle Projekte für die Zukunft überführt werden.
Im Frühjahr 2019 wird eine abschließende Ausstellung die Erkenntnisse und Geschichten aus dem 1,5-jährigen Forschungsprojekt „Re-tracing HOME“ gegenüberstellen und versuchen den „Heimat“ Begriff in seinen zeitgenössischen Darstellungen und Vorstellungen zu präsentieren.
Team Guerilla Architects
Anja Fritz, Tobias Hattendorf, Benedikt Stoll
mit Bassel Fayad, Monika Jedrysiak, Edwar Hanna, Stephanie Köck
Partners
Architecture for Refugees, Caritas Wien, future.lab
Supporters
C4D – Communication for Development, Hans Sauer Stiftung, Nut & Feder, Makava, Sonnentor
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