Ein aktuell laufendes Projekt des Home not Shelter!-Netzwerks ist die Planung und Verwirklichung gemeinschaftlichen Wohnens am Rande eines Neubaugebietes in Oldenburg, Bümmerstede. Das Projekt in Oldenburg ist der Beginn des zweiten Design-Build-Projekts, in dem die Studierenden des Netzwerks Wohngebäude nach eigenen Entwürfen entwickeln und ganz oder teilweise auch selbst bauen werden. Für das Home not Shelter! in Oldenburg haben wir eine Zusammenarbeit mit der Stadt Oldenburg erreicht. So wird das Projekt von der Stadtbaurätin Nießen und dem Oberbürgermeister Krogmann unterstützt. Zudem wird dieses Projekt durch eine Kooperation der Jade Hochschule, der TU Berlin sowie der Hans Sauer Stiftung ermöglicht.
Die Stadt Oldenburg verfolgt für die Unterbringung der Geflüchteten ein dezentrales Konzept. Es sollen keine neuen Quartiere geplant werden, sondern innerhalb des Stadtgebiets Potentiale und kleinteilige Grundstücke, Brachen und Leerstände aktiviert werden. So wird ein organisches Wachstum der Stadt und eine Integration der neuen BürgerInnen in die Stadtgesellschaft begünstigt. Dies stellt eine neue Herangehensweise einer Projektanbahnung dar, welche die Zusammenarbeit mit der Stadt, Wohnraumsuchenden und Geflüchteten ermöglicht. Um ein experimentelles Projekt erfolgreich umsetzen zu können, muss ein Team zusammengestellt werden, in dem die Rollen der Akteure, die Aufgaben und die Schnittstellen der Zusammenarbeit erarbeitet und festgelegt werden. Die Rollen und Verantwortlichkeiten unterscheiden sich durch den Anspruch des Projekts als Experiment und Modellvorhaben und die Eigenheiten der Akteure (z.B. Hochschulen statt Planungsbüros) an vielen Stellen von konventionellen Bauvorhaben und Wohnprojekten.
Die Studierenden der Jade Hochschule haben entsprechend bereits auf Restflächen in der Stadt kontextuelle Entwurfsprojekte entwickelt. Aus der Verortung der Wohnprojekte im Stadtgebiet erlangte die Frage der Integration eine städtebauliche und baukulturelle Dimension: Wie kann mit vertretbarem Aufwand ein Wohngebäude errichtet werden, dass trotzdem den hiesigen Vorstellung der Stadt entspricht? Hier spiegelt die entwerferische Herausforderung die gesellschaftliche: So sollen die integrativen Wohnformen innovativ sein und neue Formen des Zusammenlebens ermöglichen. Gleichzeitig sind sie Teil der Stadt und stehen notwendig im Dialog mit der Umgebung. Auch die Menschen, die in den Gebäuden leben werden, erfinden ihr Leben neu und sollen dabei einen Platz in der Haus- und Stadtgemeinschaft finden. Für unser Projekt haben wir uns vorgenommen, es mit einer Baugruppe in Oldenburg umzusetzen. Das Gebäude soll ein Modellprojekt für zukunftsfähiges, nachhaltiges Bauen werden. Wohnungsgrößen, Investitions- und Betriebskosten sowie das Nutzungskonzept können gemeinsam mit der Baugruppe erarbeitet werden. Die Stadt Oldenburg hat uns für die Umsetzung des Projekts ein Grundstück mit 648qm am Rande eines Neubaugebiets (zwischen Im Krusenbusch 27 und Gerhard-Stalling-Straße, 26135 Oldenburg) zur Verfügung gestellt.
Ziel des Projekts ist es, erschwinglichen und hochwertigen Wohnraum in einer lebendigen Hausgemeinschaft zu schaffen. Diese Gemeinschaft soll aus unterschiedlichsten BewohnerInnen verschiedener Altersgruppen, Berufe und Herkunft bestehen, wobei ein Schwerpunkt auf jungen Familien liegen wird.
Hierfür hat es bereits ein Entwurf bei der Präsentation der Entwurfsvarianten am 24. April 2017 in die nähere Auswahl geschafft: „Minihäuser“, die eine Weiterentwicklung der typischen Wohnbebauung Oldenburgs, der sogenannten „Hundehütte“, sind. Die Häuser mit Pultdächern sammeln Sonnenenergie und erzeugen so Strom und Wärme. Der Entwurf der Wohneinheiten verringert die Wohnfläche pro Person, ohne dabei die Wohnqualität zu reduzieren. Dadurch werden Bau- und Betriebskosten sowie der Landverbrauch gesenkt, um kostengünstigen und bedarfsgerechten Wohnraum zu schaffen. Dies reduziert auch den Ressourcen- und Materialverbrauch in der Herstellung des Gebäudes. Die geringen Flächen werden durch hohe räumliche Qualitäten kompensiert. Hierfür verlangt es nach besonders sorgfältiger Planung und Gestaltung. Zudem soll die Idee des Teilens statt Besitzens beim gemeinschaftlichen Wohnen im Fokus stehen. Viele Funktionen der Wohnung (z.B. Wohnküche, Gästezimmer) können geteilt und damit die Wohnfläche in den einzelnen Wohnungen verringert werden. So entsteht suffizientes Leben auf kleinem Fuß.
Schwerpunkt der Bearbeitung ist die baukonstruktive Umsetzung der Entwürfe. Die Baukonstruktion, die Materialisierung und der Bauprozess waren nicht nur Ergebnis, sondern Ausgangspunkt des Entwurfs. Kostengünstiges Bauen lässt sich mit Low-Tech-Strategien verwirklichen. Um bezahlbaren Wohnraum für alle zu realisieren, der von den Beteiligten selbst erstellt werden kann, sind Lösungen gefragt, die Bauprozesse und Standards erheblich vereinfachen. Ausgangspunkt des Projekts ist die Beschäftigung mit einer handwerklichen Fertigung und einem Material als Bausystem. Dabei soll das Gebäude von den Bewohnern zum Teil in Eigenleistung errichtet werden. Entsprechend ist eine einfache Konstruktion zu entwickeln. Durch den baukonstruktiven Schwerpunkt wird der Entwurfsprozess erneuert: Am Ende steht nicht die städtebauliche Figur oder eine Form, sondern ein Material, dessen Eigenschaften und der Prozess der Verarbeitung.
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