Unsere Baustelle in der Wiener Kempelengasse bekam Besuch von Studierenden der TU Berlin im Rahmen der Home not Shelter!-Summerschool. Ihr Professor Ralf Pasel und sein Mitarbeiter Max Hacke beschreiben, wie sie sich auf die spannenden Tage vorbereiteten, was vor Ort geschafft wurde und was sie sich für das HAWI-Haus wünschen:
Während sich die Studenten der TU Wien dem Umbau der Büroräume zu bewohnbaren Zimmern widmeten, engagierte sich die TU Berlin mit der Gestaltung und Umsetzung der Gemeinschaftsräume. Die Aufgabe bestand darin, das Innere des monotonen 80er Jahre Bürobau, dem ehemaligen Siemens Hauptquartier Österreich, mit innovativen Nutzungskonzepten und gestalterischen Mitteln bewohnbar und vor allem wohnlich zu machen. Der Name der Initiative ‘Home not Shelter!’ war nicht nur These, sondern Aufgabenstellung zugleich, die zentrale Frage dabei: mit welchen Mitteln und Arbeitsweisen kann man das Bestandsgebäude so aufwerten, dass nicht nur reine Unterkünfte für Geflüchtete und Studenten entstehen, sondern ein Zuhause entsteht als Ort des Ankommens und des Wohlfühlens?
In einem vorbereitenden Intensiv-Design-Workshop in Berlin, entstanden in Zusammenarbeit mit der Veldakademie Rotterdam eine Vielfalt experimenteller Nutzungs- und Gestaltungskonzepte für die Gemeinschaftsräume. Entwickelt wurden Projekte für ein Theater, eine Werkstatt, eine Sitz- und Liegelandschaft, Spiel- und Leseräume. Die Ergebnisse wurden diskutiert, skizziert und modelliert bevor sie durch 10 Studierende der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Ralf Pasel und Max Hacke vor Ort in Wien in die Realität umgesetzt wurden. In partizipatorischer Arbeitsweise und unter Einbindung der zukünftigen Bewohner entstanden bis Anfang Oktober neue gemeinschaftliche Wohn-, Arbeits- und Aufenthaltsräume.
Im größten aller Gemeinschaftsräume, entstand ein ’Supermöbel’ – eine raumgreifende Holzkonstruktion, die den Bewohnern eine Fülle an Aktivitäten und Möglichkeiten bietet. Das Supermöbel ist ein 10 Meter langer Tisch zum Arbeiten, Unterrichten und Werken. Umgeben von Fenstern hat der Tisch optimale Tageslichtbedingungen und bietet daher hochqualitative individuelle Arbeitsplätze einerseits, und die Möglichkeit für gemeinsame Essen und Veranstaltungen an einer langen Tafel andererseits. Der Tisch weitet sich in den Raum hinein und stuft sich in Richtung der Flure zu einer reichlich genutzten Sitztribüne ab. Besonders abends kann dieser Bereich für gemeinsame Veranstaltungen, wie beispielsweise Filmabende, genutzt werden. Eine herausziehbare Leinwand bietet die Möglichkeit in großen Gruppen Kinoabende zu organisieren. Im hinteren Bereich des Supermöbels ist die Funktionalität um eine Regalwand und eine gemütliche Sitz-Nische erweitert.
Weitere gestaltete Gemeinschaftsräume sind die Ankommensbereiche um die Lifte im 4. und 5. OG. Die vorhandenen Räumlichkeiten sind zwar baugleich, unterscheiden sich allerdings durch ihre Lage innerhalb des Gebäudes maßgeblich. In beiden Räumen entstanden Aufenthaltsbereiche mit vielseitigen Sitz- und Liegelandschaften, die das Ankommen und das Sich-wohl-fühlen befördern. Während sich das eine Konzept mit einer sehr ökonomischen Verarbeitung der vorhandenen Bodenplatten zu einer abgetreppten Sitzlandschaft auseinandersetzte, überzeugte das andere Konzept durch den Bau einer lounge-artigen Liegelandschaft, einem Hotspot der einlädt im Internet mit der alten Heimat zu kommunizieren.
Die Besonderheit des Projektes liegt nicht nur in der architektonischen Gestaltung, sondern auch im Entstehungs- und Bauprozess selbst. Es wurde hier nicht nur gemeinsam gebaut, sondern zusammen gelebt! Da ein Teil der Bewohner bereits eingezogen war und die fertiggestellten Zimmer auch die Unterkunft der Berliner Architekturstudenten war, wohnte man bereits während der Bauphase zusammen, lernte man sich kennen, kochte gemeinsam, gab Hilfestellungen bei den Deutsch Hausaufgaben und wurde im Gegenzug in Arabisch und Farsi unterrichtet.
Rückblickend lässt sich sagen, dass sich einerseits ein großer Mehrwert durch die gestalterischen und baulichen Prozesses ergeben hat und dass andererseits auf ökonomischste Weise sowohl hochwertige Architektur, als auch sozial-integrative Prozesse entstanden sind, die eine wichtige Alternative darstellen zu den ansonsten üblichen Ankunftsorten und Ankunftssituationen. Hervorzuheben ist, dass der integrative Mehrwert durch das gemeinschaftliche Wohnen und Beisammensein enorm gestützt wird. Dass Studierende und junge Geflüchtete gemeinsam wohnen, bauen und arbeiten, macht hinsichtlich der sozialen Integration aller Beteiligten Sinn und macht vor allem auch bezüglich dem Schaffen eines Zuhauses einen erheblichen Unterschied in der Identifikation mit einem Ort. So gesehen ist das Projekt schon durch diesen Mehrwert ein voller Erfolg und eine Bereicherung sowohl für die Architekturstudenten als auch Bewohner des Hauses.
Text: Ralf Pasel, Max Hacke